ME/CFS und Long COVID – Muskelschwäche messbar gemacht: Neue Studie beweist körperliche Ursachen

Wenn Menschen mit ME/CFS oder Long COVID von plötzlicher Muskelschwäche, Erschöpfung und körperlichem Zusammenbruch nach geringer Anstrengung berichten, stoßen sie noch immer viel zu oft auf Unverständnis. Eine neue Studie aus dem Fachjournal Biofabrication bringt nun weitere harte Fakten auf den Tisch: Forscher konnten im Labor nachweisen, dass das Serum von Erkrankten gesunde menschliche Muskelzellen direkt schädigt – und zwar in messbarer, reproduzierbarer Weise.

Das Team um Mughal et al. verwendete dafür dreidimensionale Gewebemodelle aus menschlicher Skelettmuskulatur. Diese wurden über mehrere Tage mit dem Blutserum von Patienten mit ME/CFS und Long COVID behandelt. Bereits nach 48 Stunden war ein deutlicher Rückgang der Muskelkraft festzustellen. Doch das war nur der Anfang. Die Muskelzellen zeigten eine Umstellung ihres Energiestoffwechsels – weg von der normalen mitochondrialen Energiegewinnung, hin zu einer ineffizienten Glykolyse. Die Mitochondrien, jene winzigen Kraftwerke der Zelle, reagierten zunächst mit einem überaktiven Zustand, ehe sie kollabierten: Sie zerfielen in ringförmige Strukturen, ein klares Zeichen für zellulären Stress und Funktionsverlust.

Diese molekulare Abfolge – zuerst eine scheinbar kompensatorische Überaktivität, dann ein Zusammenbruch – spiegelt das wider, was Betroffene im Alltag erleben: Kurze Phasen, in denen der Körper noch zu funktionieren scheint, gefolgt von einem unkontrollierbaren Absturz. In der medizinischen Sprache nennt man das „post-exertionelle Malaise“ (PEM), das Leitsymptom von ME/CFS.

Die Brisanz dieser Ergebnisse liegt nicht nur in ihrer Präzision, sondern auch in ihrer Verbindung zu einer weiteren Studie: Im vergangenen Jahr hatte ein Forscherteam IgG-Antikörper von Long-COVID-Patienten Mäusen injiziert. Die Tiere entwickelten daraufhin ähnliche Symptome wie menschliche Betroffene – ein weiterer Beleg dafür, dass krankheitsverursachende Substanzen im Blut zirkulieren. Der Mechanismus wirkt direkt auf Zellen und Gewebe – unabhängig von psychischen Faktoren.

Was beide Studien zeigen: Die Ursachen von ME/CFS und Long COVID sind somatischer Natur. Sie liegen im Körper, nicht im Kopf. Die anhaltende Fehlannahme, es handle sich um psychosomatische Leiden, ist durch solche Daten nicht mehr haltbar. Diese Forschung ist daher nicht nur ein medizinischer Fortschritt, sondern auch ein politisches Signal – für eine ernsthafte, biomedizinische Auseinandersetzung mit zwei bislang oft verkannten Krankheitsbildern. Für viele Patienten bedeutet das vor allem eines: wissenschaftliche Rückendeckung für das, was sie längst wissen – ihr Leiden ist real, messbar und körperlich begründet.

Zur Studie geht es hier.