Blockiert, auf dem Weg oder beides? Das Dilemma der klinischen Studien zu Long COVID und ME/CFS

Für Patient*innen läuft letztlich alles auf Behandlungen hinaus – und das bedeutet: klinische Studien, und zwar viele davon. Angesichts dessen war es schwer, den Artikel von Rowan Walrath mit dem Titel „Long-COVID-Studien durch mangelnde Kooperation der Pharmaindustrie blockiert“ in Chemical and Engineering News (C&EN) zu lesen. Der Artikel legt nahe, dass die großen Pharmakonzerne Long COVID nicht wirklich annehmen. (Der erste Teil dieses Blogs basiert weitgehend auf Walraths Artikel. Ein großes Lob an sie und C&EN dafür, dass sie in den letzten Monaten mit drei Artikeln zu Long COVID an vorderster Front stehen.)

Für Menschen mit ME/CFS ist das Desinteresse der Pharmaindustrie nichts Neues. Trotz der Millionen von Betroffenen scheint ME/CFS für große Pharmafirmen wie Kryptonit zu sein. Abgesehen von Rituximab – das größtenteils durch Patientengelder finanziert wurde – und der Ampligen-Studie, die Jahrzehnte zurückliegt, fällt kaum eine einzige große Medikamentenstudie zu ME/CFS ein. Ampligen ist bis heute das einzige Medikament, das es zumindest teilweise in Richtung FDA-Zulassung geschafft hat.

Könnte es sein, dass Long COVID – trotz der zig Millionen Betroffenen allein in den USA und dem gewaltigen Marktpotenzial – das gleiche Schicksal erleidet? Auch wenn klar ist, dass das so nicht passieren wird, zeigt Walraths Artikel, dass dieselben Vorurteile und Probleme, die ME/CFS seit Jahrzehnten behindern, nun auch die Suche nach einer Behandlung für Long COVID erschweren.

Ein gutes Beispiel ist Avindra Naths Suche nach einer Medikamentenstudie. Man könnte meinen, dass Nath – der klinische Leiter des NIH-internen Programms am NINDS – Einfluss hätte. Er setzte erfolgreich ein Medikament namens Keytruda zur Behandlung der progressiven multifokalen Leukenzephalopathie (PML) ein und erklärte, dass er Checkpoint-Inhibitoren auch bei Long COVID und ME/CFS testen wolle. Sein Versuch jedoch, von MERCK kostenlos Keytruda (ein Medikament zur Behandlung von T-Zell-Erschöpfung) zu erhalten, scheiterte. Ein ähnlicher Versuch mit Bristol Myers Squibb, um eine andere Kombination von Checkpoint-Inhibitoren zu bekommen, verlief ebenso erfolglos.

Das Entscheidende ist: Nath hatte alles geregelt – bis auf das Medikament. Über das NIH-Förderprogramm wären Gehälter, Labore, Patient*innenrekrutierung etc. finanziert worden. Alles, was Nath brauchte, war das Medikament – kostenlos. Er sagte zu Walrath: „Den Rest schaffen wir selbst. Wir brauchen nur das Medikament.“

Diese Medikamente sind teuer – sie kosten für Patient*innen mehr als 10.000 Dollar pro Dosis – aber die Unternehmen verdienen Milliarden daran. Keytruda brachte MERCK im letzten Jahr satte 29,5 Milliarden Dollar ein. Nath sagte: „Sie verdienen Milliarden mit diesem einen Medikament. Für sie ist [eine kostenlose Abgabe] nur ein Tropfen auf den heißen Stein.“

Und Nath ist nicht allein. Walrath berichtet, dass auch Igor Koralnik, Neurologe an der Northwestern University, bei Eli Lilly, Amgen und anderen Unternehmen wegen Medikamenten zur Behandlung schwerer Long-COVID-Kopfschmerzen abgeblitzt ist. Koralnik, der eine umfassende Studie zu den neurologischen Auswirkungen von Long COVID veröffentlicht hat, sagte ernüchtert und verbittert:

„Das war ein großer Aufwand an Energie und Zeit – ohne Ergebnis. Es wäre interessant, wenn man zu Eli Lilly gehen und die Verantwortlichen für Kopfschmerz fragen könnte: ‚Haben Sie schon mal von Dr. Koralnik gehört?‘ Ich würde mein Pferd und meinen Sattel verwetten, dass sie Nein sagen.“

Auch Nancy Klimas’ Versuch, ein Medikament zu erhalten, das a) nicht mehr verwendet wurde und b) ungenutzt im Regal eines Unternehmens lag, zeigt, wie schwer der Weg sein kann. Am Ende war sie erfolgreich – aber es war ein harter Kampf. Selbst nach überzeugenden Ergebnissen bei Long-COVID-Patient*innen wurde sie von drei großen Pharmafirmen (GSK, Lilly, Regeneron) abgelehnt, bevor sie eine fand, die half. Klimas nannte es „ein glückliches Ende dieser Geschichte statt eines zutiefst frustrierenden“.

Zusammenfassung („The GIST“):

• Rowan Walraths Artikel zeigt, dass große Pharmakonzerne in manchen Fällen Long COVID nicht nur nicht unterstützen, sondern nicht einmal minimale Hilfe leisten wollen.

• Nachdem Avindra Nath bereits NIH-Fördergelder zur Durchführung einer Studie erhalten hatte, weigerten sich zwei Unternehmen, die benötigten Medikamente – mit denen sie jährlich Milliarden verdienen – kostenlos bereitzustellen. Ähnliches erlebte auch der Neurologe Igor Koralnik von der Northwestern University.

• Drei zentrale Hindernisse halten Pharmafirmen davon ab, sich mit Long COVID oder ME/CFS zu beschäftigen: Diese Krankheiten passen nicht in klassische Krankheitskategorien, es fehlen validierte Biomarker, und die Krankheitsbilder sind sehr unterschiedlich.

• Am besten wären biologische Marker, die den Behandlungserfolg nachvollziehbar machen. Die RECOVER-Initiative hätte mit ihren anfänglichen 1,15 Milliarden Dollar in die molekularen Grundlagen von Long COVID eintauchen können. Stattdessen wurde das Geld hauptsächlich für Untersuchungen ausgegeben, die sich bei ME/CFS bereits als wenig aufschlussreich erwiesen haben. Das Ergebnis: Fünf Jahre später hat RECOVER es nicht geschafft, biologische Diagnosekriterien zu liefern, auf deren Basis Pharmafirmen Studien durchführen könnten.

• Symptomatische Bewertungen können funktionieren – wenn sie von der FDA validiert werden, wie bei Fibromyalgie. Seth Lederman von Tonix Pharmaceuticals sagt, der schnellste Weg, Pharmaunternehmen für ME/CFS und Long COVID zu gewinnen, sei, wenn die FDA klar angibt, welche Fatigue-Tests sie für die Zulassung akzeptiert.

• Noch ist jedoch nichts verloren! Auch wenn der Fortschritt langsamer ist als erhofft, bewegt sich das Feld vorwärts – auf teils überraschende Weise. Trotz der Zurückhaltung großer Pharmaunternehmen laufen zahlreiche spannende Studien, sowohl im kleinen als auch im großen Rahmen. Viele der aktuell getesteten Medikamente wurden für ME/CFS nie in Betracht gezogen – ein gutes Zeichen.

• Die Liste der Studien ist lang und umfasst Medikamente, die auf das Immunsystem, den Stoffwechsel und das zentrale Nervensystem wirken (siehe Blog). Vierzehn Studien haben über 100 Teilnehmende, zehn sogar über 200. Sollte auch nur eine dieser Studien Erfolg haben, könnte dies schnell zur Anerkennung führen und neue Behandlungsmöglichkeiten eröffnen.

Zum Original-Beitrag von Health Rising geht es hier.