Die Studie mit dem Titel „The Cardiac Output–Cerebral Blood Flow Relationship Is Abnormal in Most Myalgic Encephalomyelitis/Chronic Fatigue Syndrome Patients with a Normal Heart Rate and Blood Pressure Response During a Tilt Test“ untersucht die Beziehung zwischen Herzzeitvolumen (CO) und zerebralem Blutfluss (CBF) bei Patienten mit Myalgischer Enzephalomyelitis/Chronischem Erschöpfungssyndrom (ME/CFS). Dabei konzentriert sie sich auf Patienten, die während eines Kipptests normale Herzfrequenz- und Blutdruckreaktionen zeigen.
Hintergrund
Orthostatische Intoleranz ist ein häufiges Symptom bei ME/CFS-Patienten und äußert sich durch eine abnormale Reduktion des zerebralen Blutflusses beim Übergang in eine aufrechte Position. In gesunden Kontrollpersonen (HCs) ist bekannt, dass eine 30%ige Reduktion des Herzzeitvolumens zu einer etwa 10%igen Reduktion des zerebralen Blutflusses führt. Frühere Studien zeigten, dass bei ME/CFS-Patienten sowohl CO als auch CBF während eines Kipptests stärker abnehmen als bei HCs. Diese Studie zielt darauf ab, die Beziehung zwischen CO und CBF bei ME/CFS-Patienten mit normalen Herzfrequenz- und Blutdruckreaktionen während des Kipptests zu untersuchen.(MDPI)
Methodik
In dieser retrospektiven Studie wurden Daten von 534 ME/CFS-Patienten und 49 gesunden Kontrollpersonen analysiert. Alle Teilnehmer unterzogen sich einem Kipptest, bei dem Herzfrequenz, Blutdruck, zerebraler Blutfluss, Herzzeitvolumen und endtidales CO₂ (P_ETCO₂) gemessen wurden. Zur Messung des zerebralen Blutflusses wurden extrakranielle Dopplerflussgeschwindigkeiten und Gefäßdurchmesser mit einem GE-Echosystem erfasst. Die suprasternalen aortalen Flussgeschwindigkeiten wurden ebenfalls mit demselben Gerät gemessen. Das endtidale CO₂ wurde mit einem Nonin Lifesense-Gerät aufgezeichnet.(MDPI)
Die Studie konzentrierte sich auf ME/CFS-Patienten mit normalen Herzfrequenz- und Blutdruckreaktionen während des Kipptests, um die Daten mit denen der gesunden Kontrollpersonen zu vergleichen. Patienten mit posturalem orthostatischem Tachykardiesyndrom (POTS), orthostatischer Hypotonie oder (nahezu) Synkopen wurden ausgeschlossen.(MDPI)
Ergebnisse
Von den 534 ME/CFS-Patienten zeigten 46 (9%) normale Veränderungen von CO und CBF, vergleichbar mit denen der gesunden Kontrollpersonen. Die restlichen 488 Patienten (91%) wiesen eine abnormale Reduktion sowohl des Herzzeitvolumens als auch des zerebralen Blutflusses auf.(MDPI)
In der Gruppe mit abnormalen Reduktionen zeigte die Regressionsanalyse eine nahezu 1:1-Beziehung zwischen der Reduktion des Herzzeitvolumens und des zerebralen Blutflusses. Dies deutet auf das Fehlen einer kompensatorischen Vasodilatation in der zerebralen Vasculatur hin. Die multiple Regressionsanalyse zeigte, dass die Reduktion des Herzzeitvolumens größtenteils die Reduktion des zerebralen Blutflusses vorhersagte, wobei die Reduktion des endtidalen CO₂ eine begrenzte Rolle spielte.(MDPI)
Diskussion
Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass bei den meisten ME/CFS-Patienten mit normalen Herzfrequenz- und Blutdruckreaktionen während des Kipptests eine abnormale Beziehung zwischen Herzzeitvolumen und zerebralem Blutfluss besteht. Die nahezu 1:1-Beziehung zwischen der Reduktion von CO und CBF legt nahe, dass keine ausreichende kompensatorische Vasodilatation in der zerebralen Vasculatur erfolgt. Dies könnte auf eine endotheliale Dysfunktion hinweisen.
Die Studie identifizierte zwei verschiedene Gruppen von ME/CFS-Patienten mit normalen Herzfrequenz- und Blutdruckreaktionen während des Kipptests:
- Patienten mit normalen Veränderungen von CO und CBF, vergleichbar mit gesunden Kontrollpersonen.(MDPI)
- Patienten mit abnormalen Reduktionen von CO und CBF, die 91% der untersuchten Patienten ausmachten.(MDPI)
Die Erkenntnisse dieser Studie könnten klinische und therapeutische Implikationen haben, insbesondere im Hinblick auf die Diagnose und Behandlung von ME/CFS-Patienten mit orthostatischer Intoleranz.(MDPI)
Schlussfolgerungen
Die Studie zeigt, dass bei den meisten ME/CFS-Patienten mit normalen Herzfrequenz- und Blutdruckreaktionen während eines Kipptests eine abnormale Beziehung zwischen Herzzeitvolumen und zerebralem Blutfluss besteht. Die fehlende kompensatorische Vasodilatation in der zerebralen Vasculatur könnte auf eine endotheliale Dysfunktion hinweisen. Diese Erkenntnisse könnten wichtige Auswirkungen auf das Verständnis der Pathophysiologie von ME/CFS und die Entwicklung von Behandlungsstrategien haben.
Zur vollständigen Studie geht es hier.