Papier von Dr. Michael Stingl, Neurologe, Wien
1. Einleitung
Meine besondere Erfahrung betrifft jene Patient*innen, bei denen im Rahmen der Abklärung keine Organschäden festgestellt werden konnten. Diese sind oft jünger und weiblich1 und ähneln klinisch jenem Bild, das man von Myalgischer Encephalomyelitis/Chronic Fatigue Syndrome (ME/CFS, ICD-10 G93.3) kennt.
Diese Patient*innen berichten typischerweise von einer deutlichen Verschlechterung des Zustandes nach kognitiver und körperlicher Aktivität, einer sogenannten Post Exertional Malaise (PEM). Diese ist typisch für ME/CFS und kommt in dieser Form bei anderen Formen der Fatigue normalerweise nicht vor.
Zusätzlich berichten diese Patient*innen von orthostatischen Symptomen, Schwindel, Schmerzen, kognitiver Beeinträchtigung („Brain Fog“, oft im Sinne einer gesteigerten kognitiven Ermüdbarkeit zu interpretieren) und vielen anderen Symptomen2,3.
2. Anamnese, Diagnostik und Therapie
2.1 Generelles/Psychiatrisches
Hören Sie Ihren Patient*innen zu. Wenn berichtet wird, dass seit dem Infekt körperliche oder kognitive Aktivität den Zustand verschlechtert (es fällt oft der Satz „ich will, aber ich kann nicht“) ist eine primär psychiatrische Diagnose in meiner Erfahrung mit ME/CFS sehr unwahrscheinlich. Bei diesen Patient*innen kam es durch entsprechende psychiatrische medikamentöse oder nicht medikamentöse Therapie (zB Lungenreha, psychosomatische Reha) oft zu einer Verschlechterung.
Wenn eine psychiatrische Begleitkomponente besteht, sollte diese natürlich behandelt werden. Erfahrungsgemäß bringt eine Therapie einer angenommenen psychiatrischen Grundursache bei Long Covid aber bezüglich der körperlichen Symptome keine wesentliche Besserung.
2.2 Immunologische Überlegungen
Folgende immunologische Laborwerte können Sinn machen: C3, C4, CH50, MBL, IgG, IgA, IgM, IgG-Subklassen, Lymphozytentypisierung, Abklärung auf Antiphospholipid-Syndrom. Immundefekte finden sich bei ME/CFS häufig4,5, ein MBL-Mangel wurde auch bei Long Covid in 22% der Fälle beschrieben6.
2.3 Orthostatische Dysregulation
Machen Sie einen Schellong-Test oder einen NASA Lean Test7, oder lassen Sie die Patient*innen diesen Test zu Hause selber machen – die Ergebnisse der Selbstdurchführung korrelieren gut mit Ergebnissen im Kipptisch, positiv ist auch, dass der Stress des Arztbesuches bzw. der Anfahrtsweg wegfallen und somit Herzfrequenz und Blutdruck nicht dadurch beeinträchtigt sind. Bei sehr vielen Betroffenen finden sich klare Hinweise auf Dysautonomie, z.B. orthostatische Hypotonie und posturales orthostatisches Tachykardiesyndrom (POTS)8,9.
Hier machen oft folgende nicht-medikamentöse Maßnahmen Sinn:
1) Ausreichende Trinkmenge (mind. 3l/Tag) mit regelmäßiger Flüssigkeitszufuhr, insbesondere ausreichende Trinkmenge vor dem ersten morgendlichen Aufrichten (bis 500ml plus Salz).
2) Ausreichende Salzzufuhr, ca. 8g/Tag10. Rezept für eine Elektrolytlösung zum Trinken, über den Tag verteilt, vor allem am Vormittag11: 1l Wasser (für Geschmack z.B. Tee, Dicksaft,…), 3,5g Natriumchlorid, 2,5g Kaliumchlorid, 2,9g Tri-Natriumzitrat, 20g Glucose. Alternativ ist auch 250ml Fruchtsaft, verdünnt auf 1l, mit 2-3g Kochsalz, möglich.
3) Langsames Aufstehen.
4) Kräftigen der Wadenmuskulatur.
5) Verwenden von Stützstrümpfen bzw. Kompressionshosen12.
6) Bei Hitze kalte Fußbäder.
7) Verzicht auf Alkohol, wenig Kaffee.
8) Mehrere kleine Mahlzeiten.
Medikamentöse Optionen gibt es auch13,14. Dies ist oft Trial and Error, Kontraindikationen, Effekt und Verträglichkeit müssen beachtet werden.
1) Mestinon off-label, mit dem ich oft gute Effekte gesehen habe. Beginn mit 1-0-0, weitere Steigerung je nach Verträglichkeit/Wirkung (1-0-1, 1-1-1). 40% der Patient*innen vertragen die Medikation nicht, bei Nebenwirkungen wieder absetzen. Mögliche Nebenwirkungen sind z.B. Durchfall, verstärkter Speichelfluß, verstärktes Schwitzen, Faszikulationen.
2) Ivabradin, das im Gegensatz zu Betablockern spezifisch auf die Herzfrequenz wirkt. Beginn mit 5mg 1/2-0-0, Steigerung je nach Wirkung/Nebenwirkung auf 1-0-0 nach 7 Tagen. Regelmäßiges Messen von Puls und Blutdruck, bei Herzfrequenz regelmäßig unter 50 muss die weitere Einnahme überdacht werden. Nächtliche Einnahme nur bei nächtlicher Tachykardie.
3) Fludrocortison, ein Mineralkortikoid, das die Flüssigkeitsausscheidung reguliert. Beginn mit 0,1mg 1/2-0-0, gegebenenfalls Steigerung auf 1-0-0 nach 7-14 Tagen. Eine Woche nach Beginn und eine Woche nach Änderung der Dosis müssen die Elektrolyte kontrolliert werden. Mögliche Nebenwirkungen sind z.B. Kopfschmerzen, Ödeme, Hypertension, Depression. Die Einnahme kann prinzipiell auch punktuell erfolgen, wenn längeres Stehen/Gehen notwendig ist.
4) Midodrin, ein selektiver Alpha-1-Agonist, der den Blutdruck im Stehen steigert. Beginn mit 2,5mg 1-1-1, gegebenenfalls weitere Steigerung. Eine relevante Nebenwirkung kann ein Anstieg des Blutdrucks im Liegen sein, die Einnahme sollte daher in zeitlichem Abstand (3-4 Stunde) zu längerem Liegen erfolgen. Es kann auch zu z.B. Problemen mit der Miktion und Kribbelparästhesien kommen.
5) Catapresan bei hyperadrenergen Schüben (Kaltschweißigkeit, Tremor, Ängstlichkeit). Einnahme von 0,15mg 1-0-0. Mögliche Nebenwirkungen sind Mundtrockenheit, niedriger Blutdruck, depressive Verstimmung oder Schlafprobleme. Eine Einnahme bei AV-Block v.a. 3ten Grades, Depression oder Raynaud-Syndrom darf nicht erfolgen.
2.4 Mastzellenaktivierungssyndrom
Achten Sie auf Zeichen von Mastzellenaktivierungssyndrom (MCAS)15. Klinisch auffällig sind hier oft neu aufgetretene Probleme mit der Verdauung, Verschlechterung des Zustandes bei Stress/Temperaturextremen/Aktivität, neue schlechte Verträglichkeit von Alkohol, Flush, plötzliche unerklärliche Panikattacken, dazu aber auch viele andere Symptome16.
Es können Marker wie Histamin oder Tryptase bestimmt werden, diese sind aber meist unauffällig. Sollte aus einem anderen Grund eine Gastroskopie oder Coloskopie gemacht werden, kann eine Färbung auf Mastzellen erfolgen (CD117).
Im Normalfall empfiehlt sich aber ein diagnostischer Therapieversuch. Ich verwende hier meist Desloratadin 5mg 0-0-1 (bei guter Verträglichkeit 1-0-1), Famotidin 20mg 1-0-0 (vor allem, wenn Verdauungsprobleme vorhanden sind, Steigerung auf 1-0-1 bzw. auch 40mg 1-0-0 oder 1-0-1 ist möglich), Vitamin C 500mg 1-0-1, Zink 30mg 0-0-1, Quercetin (begonnen mit 250mg 1-0-1, weitere Steigerung in 250mg-Schritten je nach Wirkung/Verträglichkeit, maximal 1000mg 1-1-1/Tag), eventuell Daosin zu den Mahlzeiten (wenn Nahrungsaufnahme einen deutlichen Effekt hat). Wenn sich mit Desloratadin kein deutlicher Effekt ergibt, kann ein Versuch mit Fexofenadin gemacht werden. Auch Ketotifen kann probiert werden, da dies auch zusätzlich zur H1-Blockade einen Mastzellen-stabilisierenden Effekt hat – Ketotifen ist aber in Österreich aktuell nicht erhältlich und muss importiert werden. Montelukast kann bei Atemproblemen versucht werden.
Zusätzlich gibt es noch folgende medikamentöse Möglichkeiten zur Mastzellstabilisierung: Cromoglizinsäure (200 mg 1-1-1), Alphaliponsäure (Beginn mit 200mg 1-0-1, weitere Steigerung alle 14 Tage je nach Wirkung/Verträglichkeit, maximal 600mg 1-0-1/Tag).
Auf eine histaminarme Ernährung sollte geachtet werden17. Wenn sich nach 2-3 Wochen keine deutliche Verbesserung ergibt, kann diese Therapie wieder beendet werden, wobei auf eine damit verbundene Verschlechterung geachtet werden sollte.
Generell zeigt ein Versuch mit Antihistaminika oft einen Effekt18.
2.5 Akute Verschlechterung
Bei einer akuten, deutlichen Verschlechterung des Zustandes (Crash), insbesondere dann, wenn auch der Schlaf schlechter wird (viele Patient*innen berichten, dass bei Überanstrengung trotz massiver Erschöpfung der Schlaf schlechter möglich ist), kann ein kurzfristiger Einsatz von Benzodiazepinen, z.B. Temesta, sinnvoll sein.
2.6 Cortison und Nahrungsergänzungsmittel
Cortison hat in meiner Erfahrung bei ME/CFS keinen Effekt. Eine Stoß-Therapie, z.B. mit Dexamethason 0,5mg 3xtgl für 2 Tage, 2xtgl für 2 Tage, 1xtgl für 2 Tage, kann versucht werden, anhaltende Verbesserungen treten meist nicht auf. Eine Gabe von Cortison ist aus meiner Sicht bei möglicher Viruspersistenz ohne verfügbares Virostatikum zurückhaltend zu sehen.
Ob Nahrungsergänzungsmittel (es kursiert vor allem dieses Schema: Niacin 100mg 1-0-0, Vitamin C 500mg 1-0-1, Vitamin D 3000 I.U./d 1-0-0, Zink 15mg 0-0-1, Selen 50μg 1-0-0, Quercetin 250mg 1-0-1) einen Effekt haben, kann versucht werden, muss aber im Einzelfall immer kritisch geprüft werden.
Vor allem bei deutlichen Verdauungsproblemen kann ein Versuch mit VSL #3 zur Verbesserung der Dysbiose gemacht werden.
2.7 Therapieversuche, die pragmatisch von ME/CFS abgeleitet werden
Therapieversuche, die sich aus der Behandlung von ME/CFS ableiten, können überlegt werden. Hierzu zählen Low Dose Naltrexon (LDN)19,20 bzw. Low Dose Aripiprazol (LDA)21.
Bei LDN wird mit einer Dosierung von 0,5mg 0-0-1 begonnen. Die Dosis kann abhängig von Verträglichkeit/Wirkung alle 1-2 Wochen um 0,5mg gesteigert werden, maximal sollten 5mg/d eingenommen werden. Nachdem gelegentlich Schlafprobleme auftreten, kann in diesem Fall die Einnahme auch in der Früh erfolgen. Häufig tritt eine Wirkung erst bei 1,5-2,5mg/d auf, bis dorthin sollte bei guter Verträglichkeit auf jeden Fall gesteigert werden. Ich habe bisher oft eine
Verbesserung durch Einnahme gesehen, vor allem bezüglich des Krankheitsgefühls und der Kognition.
Bei LDA beginnt man mit 0,25mg, die Dosis kann abhängig von Verträglichkeit/Wirkung alle 1-2 Wochen um 0,25mg gesteigert werden, maximal sollten 2mg/d eingenommen werden. Es kann dauern, bis ein Effekt bemerkbar ist. LDA wirkt erfahrungsgemäß vor allem auf kognitive Symptome und die Reizempfindlichkeit.
2.8 Autoantikörper
Inwieweit die von ME/CFS bzw. auch POTS bekannten Autoantikörper gegen cholinerge und muskarinerge Rezeptoren22,23 eine Rolle spielen, wird sich zeigen. Eine erste Studie konnte hier schon Hinweise bringen24. Bei Patient*innen, wo sich die Symptome unter Therapie nicht anhaltend besser oder wo die Verbesserung stagniert, konnte in meiner Erfahrung oft ein Nachweis dieser Autoantikörper erbracht werden.
In meiner Erfahrung mit ME/CFS kann bei positivem Nachweis eine Therapie mit i.v. Immunglobulinen hilfreich sein. Für POTS wurde über den Effekt einer immunmodulierenden Therapie berichtet25.
Die Relevanz dieser Autoantikörper zeigt sich auch in den berichteten Effekten von BC007, einem Aptamer, das diese Antikörper entfernen kann26. Hier sind die Ergebnisse der geplanten Studie abzuwarten, BC007 ist nicht verfügbar.
2.9 Small Fiber Neuropathie
Gleiches gilt für den Nachweis einer Small Fiber Neuropathie (SFN), die bei ME/CFS oft eine der Grundlagen für die autonome Dysfunktion ist27. Bisher gibt es hier nur Fallberichte28 bzw. indirekte Hinweise29. Ich habe schon Patient*innen mit bioptisch gesicherter Small Fiber Neuropathie bei Long Covid gesehen.
Klinische Hinweise, wie distal reduziertes Temperaturempfinden, Kreislaufregulationsprobleme, Sicca-Symptomatik, Miktionsprobleme,
Veränderungen des Schwitzens, eingeschränkte Temperaturregulation finden sich bei Long Covid ebenfalls häufig.
Auch bei autoimmuner Small Fiber Neuropathie wäre ein Versuch mit IvIg anzudenken30. Studien waren hier oft negativ, wobei oft, z.B. bei einer zuletzt publizierten, die Verabreichungsdauer sehr kurz (2 Monate) war31. IvIg „reparieren“ ja die Small Fibers nicht, sie sollen nur die Schädigung verhindern und damit eine Regeneration ermöglichen.
Durch die oft späte Diagnosestellung ist hier meiner Meinung nach eine längere Gabe notwendig, um einen Effekt zu sehen, im Gegensatz zu beispielsweise Guillain Barré Syndrom, das ja klinisch/elektrophysiologisch sehr schnell entdeckt wird.
2.10 Kognitive Dysfunktion
Probleme der Kognition sind bei Long Covid häufig. Diffus wird dies oft als Brain Fog bezeichnet und umfasst Einschränkungen bei Konzentration, Aufmerksamkeit, Wortfindung, Kurzzeitgedächtnis. Wesentliches Problem aus klinischer Sicht ist eine gesteigerte kognitive Ermüdbarkeit.
Die Ursache ist unklar. Bemerkenswert ist, dass Brain Fog auch bei POTS ein wesentliches Merkmal ist32 und auch im Kontext von MCAS vorkommt. Auch eine Neuroinflammation scheint eine Möglichkeit. Generell scheinen die Probleme bei Long Covid reversibel33.
Insofern orientiert sich die Therapie an der Behandlung von POTS und MCAS bzw. auch dem Einsatz von Low Dose Naltrexon.
Anekdotisch kann auch Fluvoxamin34 über eine Reduktion der Inflammation einen Effekt haben, hier kann mit 50mg 1-0-0 begonnen, dies dann auf 1-0-1 gesteigert werden. In meiner Erfahrung kommt es oft zu therapielimitierenden Nebenwirkungen wie innerer Anspannung. Es kann in einem solchen Fall versucht werden, die Dosis auf z.B. 12,5mg zu reduzieren, wobei klarerweise dies bei den erhältlichen Filmtabletten nicht vorgesehen ist.
2.11 Endotheliale Dysfunktion
Eine Schädigung des Endothels durch SARS-CoV-2 ist bekannt. Es kann hier zu mikrothrombotischen Komplikationen kommen35,36. Dieser Mechanismus könnte auch für Probleme bei Long Covid schuldhaft sein. Interessant ist, dass eine Beeinflussung von Fractalkin (CX3CL1) hypothetisch einen Effekt haben könnte37. Der Einsatz von Statinen reduziert Fractalkin38.
Eine niedrig dosierte Plättchenaggregationshemmung, z.B. mit TASS 50mg 0-1-0, in Kombination mit einem Statin, z.B. Atorvastatin 10mg 0-0-1, gegebenenfalls mit weiterer Steigerung, kann daher überlegt werden. Wenn sich nach 2 Wochen kein deutlicher Effekt, auch nach Steigerung des Statins, zeigt, beende ich diese Therapie meist wieder. Viele Betroffene berichten über recht zeitnahe Verbesserungen, beispielsweise der Kreislauffunktion. Statine haben hier meist einen deutlicheren Effekt als TASS.
Bei ME/CFS wurde eine endotheliale Dysfunktion mit oxidativem Stress beschrieben39. Fenofibrat könnte den oxidativen Stress am Endothel reduzieren40. Insofern kann Fenofibrat alternativ zu Statinen versucht werden, wenn dabei Nebenwirkungen auftreten oder kein Effekt zu erzielen ist.
Die endotheliale Dysfunktion kann durchaus zu POTS beitragen oder auch die bei Long Covid41 ebenso wie bei ME/CFS42 beschriebene eingeschränkte periphere Sauerstoffextraktion erklären.
2.12 Ivermectin
Über Ivermectin wird angesichts eines angeblichen antientzündlichen/antiviralen Effekts viel diskutiert. Studien zu Long Covid gibt es keine, hauptsächlich anekdotische Berichte oder Behauptungen über den Nutzen. In der persönlichen Kommunikation mit einem Kollegen aus den USA, der Ivermectin als Teil eines Behandlungsprotokolls verwendet, kann es einen positiven Anteil in einem Gesamtkonzept haben, ist aber definitiv kein Wundermittel.
Ein Schema, das genannt wird, sind 0,2mg/kg Körpergewicht für 2 Tage (bei schwereren Symptomen 0,4mg/kg Körpergewicht), wenn dann noch Symptome vorhanden sind für 2 weitere Tage bei 0,2mg/kg Körpergewicht. Sollten dann
noch Beschwerden vorhanden sein, wird es weiter gegeben bis diese Symptome weg sind oder es zu keiner weiteren Verbesserung durch die Therapie kommt.
Ein alternatives Schema, das postuliert wurde, ist 6-12mg/Tag alle 3 Tage.
Persönlich habe ich keine Erfahrung mit Ivermectin. Es ist in Österreich no box als Scabioral erhältlich, 4 Tabletten à 3mg kosten ca. €65. Ich habe es bisher nie empfohlen oder verordnet, mir scheint es aber wichtig, es zu erwähnen, da viele Patient*innen danach fragen oder es auch selbstständig versuchen. In meiner Wahrnehmung hat es hier keine deutlichen Effekte gegeben.
Es ist bei Ivermectin auf jeden Fall anzumerken, dass es aufgrund einiger höchst fragwürdiger Studien zum Einsatz in der akuten Phase bzw. zur Prophylaxe von Covid19 viel Diskussion gegeben hat43.
3. Pacing
Der wesentlichste Punkt der Behandlung von Long Covid ist das Pacing, also Aktivität in dem Rahmen, wo keine Verschlechterung des Zustandes auftritt44,45.
Dies ist nicht intuitiv, da ja bei den meisten Erkrankungen Trainingstherapie hilft – hier hat es aber den gegenteiligen Effekt. In meiner Erfahrung mit ME/CFS hat Überaktivität in der Frühphase der Erkrankung dann zur Chronifizierung geführt.
Für Pacing gibt es zahlreiche gute Tipps46. Wichtig ist das Erkennen der eigenen Grenzen, um ein Überschreiten zu vermeiden.
Hier kann das Verwenden einer Pulsuhr hilfreich sein. Anhaltspunkt ist ein Wert von 60% der anaeroben Schwelle (also 60% von 220 minus Lebensalter), dies sollte bei normaler Alltagsaktivität nicht überschritten werden. Wenn der Puls zu deutlich ansteigt, ist eine Pause notwendig.
Ziel aller Maßnahmen ist eine Stabilisierung und dann eine langsame Besserung der Symptome. Generell ist die Prognose bei postviraler Fatigue gut, wenn auch die Rekonvaleszenz mehrere Monate dauern kann47. Eine Chronifizierung zu ME/CFS muss unbedingt vermieden werden.
1 Graham EL et al. Persistent neurologic symptoms and cognitive dysfunction in non-hospitalized Covid-19 „long haulers“. Ann Clin Trans Neurol 2021; doi.org/10.1002/acn3.51350
2 Lopez-Leon S et al. More than 50 Long-term effects of COVID-19: a systematic review and meta-analysis. medrxiv.org/content/10.1101/2021.01.27.21250617v2.full
3 Graham EL et al. Persistent neurologic symptoms and cognitive dysfunction in non-hospitalized Covid-19 “long haulers”. Ann Clin Transl Neurol 2021; 8:1073
4 Guenter S et al. Frequent IgG subclass and mannose binding lectin deficiency in patients with Chronic Fatigue Syndrome. Human Immunology 2015; 76:729
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6 Kedor C et al. Chronic COVID-19 Syndrome and Chronic Fatigue Syndrome (ME/CFS) following the first pandemic wave in Germany – a first analysis of a prospective observational study. medrxiv.org/content/10.1101/2021.02.06.21249256v1
7 https://batemanhornecenter.org/wp-content/uploads/2016/09/NASA-Lean-Test-Instructions.pdf
8 Dani M et al. Autonomic dysfunction in ‘long COVID’: rationale, physiology and management strategies. Clin Med 2021; doi.org/10.7861/clinmed.2020-0896
9 Raj SR et al. Long-COVID postural tachycardia syndrome: an American Autonomic Society Statement. Clin Auton Res 2021; doi.org/10.1007/s10286-021-00798-2
10 Garland EM et al. Effect of High Dietary Sodium Intake in Patients With Postural Tachycardia Syndrome. JACC 2021; 17: 2174
11 Meadow MS et al. The Benefits of Oral Rehydration on Orthostatic Intolerance in Children with Postural Tachycardia Syndrome. J Ped 2019; 214:96
12 Bourne KM et al. Compression Garment Reduces Orthostatic Tachycardia and Symptoms in Patients With Postural Orthostatic Tachycardia Syndrome. J Am Coll Cardiol 2021; 77:285
13 Johansen M et al. Long-Haul Post–COVID-19 Symptoms Presenting as a Variant of Postural Orthostatic Tachycardia Syndrome: The Swedish Experience. J Am Coll Cardiol Case Rep 2021; doi: 10.1016/j.jaccas.2021.01.009
Pacing ist mittlerweile auch ausdrücklich in den S1-Linien zur Therapie von Long Covid der ÖGAM festgehalten48. Ich durfte zu diesem Thema ein Webinar beisteuern49.
14 Struhal W et al. Bedside Approach to Autonomic Disorders. A Clinical Tutor. Springer 2017
15 Afrin LB et al. Covid-19 hyperinflammation and post-Covid-19 illness may be rooted in mast cell activation syndrome. Int J Inf Dis 2020; 100: 327
16 Afrin LW et al. Often seen, rarely recognized: mast cell activation disease – a guide to diagnosis and therapeutic options. Ann Med 2016; 48:190
17 https://www.mastzellaktivierung.info/downloads/foodlist/11_FoodList_DE_alphabetisch_mitKat.pdf
18 Glynne P et al. Long COVID following mild SARS-CoV-2 infection: characteristic T cell alterations and response to antihistamines. J Invest Med 2021; doi: 10.1136/jim-2021-002051
19 Bolton MJ et al. Low-dose naltrexone as a treatment for chronic fatigue syndrome. BMJ Case Rep 2020; 13: e232502
20 Younger J et al. The use of low-dose naltrexone (LDN) as a novel anti-inflammatory treatment for chronic pain. Clin Rheumatol 2014; 33:451
21 Crosby LD et al. Off label use of Aripiprazole shows promise as a treatment for Myalgic Encephalomyelitis/Chronic Fatigue Syndrome (ME/CFS): a retrospective study of 101 patients treated with a low dose of Aripiprazole. J Transl Med 2021; 19:50
22 Loebel et al. Antibodies to β adrenergic and muscarinic cholinergic receptors in patients with Chronic Fatigue Syndrome. Brain Behav Immun 2016; 52:32
23 Gunning WT et al. Postural Orthostatic Tachycardia Syndrome Is Associated With Elevated G-Protein Coupled Receptor Autoantibodies. J Am Heart Assoc 2019; 8:e013602
24 Wallukat G et al. Functional autoantibodies against G-protein coupled receptors in patients with persistent post-COVID-19 symptoms. J Trans Autoimmun 2021; https://doi.org/10.1016/j.jtauto.2021.100100
25 Rodriguez B et al. Immunomodulatory treatment in postural tachycardia syndrome: a case series. Eur J Neurol 2020; doi.org/10.1111/ene.14711
26 https://www.uk-erlangen.de/presse/pressemitteilungen/ansicht/detail/long-covid-medikament-hilfe-fuer-weitere-betroffene/
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29 Hinduja A et al. Sudomotor dysfunction in patients recovered from COVID-19. Neurophysiol Clin 2021; 51:193
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48 https://oegam.at/artikel/long-covid-leitlinie-s1-kurz
49 https://vimeo.com/583773560